Zwischen dem ersten Schluck Kaffee und dem letzten Bissen meines Gebäcks ist immer Platz für ein wenig Gedankenkarrussel. In dieser Kolumne möchte ich dich mitnehmen. Die Namen im folgenden Text wurden zum Schutz der Personen geändert, der Rest ist natürlich genau so passiert.
Jetzt mal so unter uns gesagt: Die Sache mit der Elternschaft ist schon ein zweischneidiges Schwert, oder? Irgendwie schwingen wir so zwischen dieser Wunschvorstellung von der Mutter mit dem glänzenden Haar, die stillend in fleckenlosen Klamotten ihr zufrieden lächelndes Baby füttert und den ausführlichen Horrorgeschichten, die man so auf Blogs oder beim Familientreffen von seiner Schwägerin hört, die jetzt das dritte Kind erwartet. Die Realität holt uns alle ein, oder? Die Frage ist nur wann…
Letztens war ich zu Besuch bei meiner Freundin Melli. Sie ist Anfang 30, lebt mit ihrem Mann in einem fancy Kölner Stadtteil und gemeinsam planen sie im nächsten Jahr Nachwuchs zu bekommen. Das wird toll, wir freuen uns schon drauf.
Wir sitzen beim Kaffee am Küchentisch. Und während ich das Baby mit dem einen Bein wippend auf und ab hüpfen lasse und Lotte mir immer mal wieder höchst wichtige Fragen stellt, höre ich ihr interessiert ihren Plänen zu.
Zwischendurch scheint sie irritiert, meistens dann, wenn ich ihr zustimmend zunicke, während ich eines der Kinder bediene. Ich schiebe dem Baby eine Banane zu.
Melli erzählt weiter. Eine Fernreise wollen sie noch machen und im Sommer für ein Wochenende noch einmal mit allen Freunden in den Urlaub fahren. Als Abschluss sozusagen. Der Abschied einer Ära. Der kinderlosen Zeit.
Ich finde das vernünftig. Überall im Internet lese ich immer wieder Tipps darüber wo und wie Paare ihren Babymoon verbringen sollten, bevor das Baby ihnen die Handschellen der Fremdbestimmung anlegt.
Wie ist das eigentlich bei dir, machst du regelmäßig etwas nur für dich?
Autsch. Da trifft sie meinen Nerv.
Ich rühre etwas nervös in meinem Kaffee, passe auf, dass das Baby nicht direkt reingreift und stammle irgendwas von wegen „…wenn das Baby noch so klein ist…. immer wenn es gerade passt….ein Kaffee beim Mittagsschlaf“.
Wir schauen uns an. Ich möchte sie beruhigen und gebe zu, dass mir das schon vor den Kindern nicht leicht gefallen ist mir Zeit nur für mich zu nehmen. Meine Freundin Melli beschwichtigt mich und meint:
Keine Angst, ich weiß schon, dass ich in der ersten Zeit keine Zeit mehr für mich haben werde. Deswegen fahren wir auch noch mal weg. Und überhaupt: deswegen haben wir so lang damit gewartet. Irgendwann werde ich ja auch abgestillt haben, dann hab ich auch wieder mehr Zeit für die Dinge, die MIR wichtig sind.
Arme Melli, denke ich. Ich überlege ihr einen Vortrag darüber zu halten, dass sich die Prioritäten mit einem Kind irgendwie verschieben. Wohin weiß ich bis heute noch nicht, aber zwischen „stillen“ und „mal Zeit für mich und die Badewanne“, ich würde mal sagen, da liegen Welten. Oder zumindest richtig viel Alltag, der gewuppt werden will.
Aber irgendwie tut sie mir, in ihrer realen Babywelt an der gegenüberliegenden Tischkante, ein bisschen Leid. Gut, ich bin schon froh, dass ich nicht nervös lächeln muss, während sie mir von einer übersteigerten Werbe-Mama-Daseinswelt erzählt. Der Zug ist wohl abgefahren. Dafür sind die Erfahrungsberichte von Freundinnen und dem Internet einfach zu detailliert.
Ich frage mich, ob zwischen all den Geburtsberichten, den Stillproblemen, den High-Need-Kindern im Internet nicht etwas zu sehr Realität an Melli geschwemmt wird. Und dann sind da ja noch die anderen Medien.
Die Sache mit den Kita-Plätzen ist ja auch so eine Sache…
sagt sie und nickt mir verschwörerisch zu. Melli ist gut informiert, das muss man ihr lassen. Sie erzählt mir, dass ihr bereits geraten wurde das Kind direkt anzumelden, wenn es geboren wurde. Am besten aus dem Kreißsaal heraus. Ob die die Nummer dort wohl schon auf der Kurzwahltaste gespeichert haben?
Und wie ist das eigentlich nach dem Stillen? Ich habe gehört die Kinder sollen ja auch nicht mehr so viel Brei essen. Alles in die Hand… das ist doch gut für die Motorik, stimmt’s? Aber wenn die das dann nicht essen wollen… Hach es gibt ja so viel zu beachten und man will ja auch nix falsch machen…
Ich beschließe meiner Freundin jetzt nicht von Müttern zu erzählen, die weit über das erste Lebensjahr hinaus stillen müssen, weil das ehemalige Baby, nun Kleinkind, nicht vernünftig essen will.
Nein, Schluss mit den Schreckensmitteilungen.
Wir sprechen jetzt nur noch über die angenehmen Folgen der Mutterschaft, sonst sind wir Mütter bald das beste Verhütungsmittel von allen, denke ich mir.
Galant wie ein Clown in der Manege manövriere ich uns zu leichteren Themen.
Mal überlegen. Let’s talk about the happy things.
Ich erzähle davon, dass mein Baby jetzt bald schon ein Jahr alt wird und dass mir die Babyzeit fehlen wird. Diese kleinen Händchen, die beim Schlafen deinen Zeigefinger umklammern. Diese süßen Geräusche, die sie machen, wenn sie zufrieden trinkend in deinen Armen liegen.
…und überhaupt bekommt man als Mama ja auch so viel zurück. Wenn die Kleinen so richtig laut und voller Freude lachen oder sie deinen Hals fest umschlingen, wenn du sie tröstest…
singe ich ihr beschwörend ins Ohr. Es wirkt, sie lächelt und stimmt mir zu.
Ich schaue auf die Uhr und mir wird bewusst: wenn wir jetzt nicht gleich fahren, dann schlafen die Kinder auf dem Rückweg im Auto ein. Und wie die Abende dann ausgehen, wenn die Kids gegen 17 Uhr einschlafen, das weißt DU und das weiß ICH.
Melli sag ich erstmal nichts davon. Ich verabschiede mich von ihr und sage, dass die Kinder ja noch in die Badewanne wollen. Zusammen.
Das ist ja so süß!
säusle ich durch die Zähne, während ich die Große davon abhalten muss der Kleinen das Spielzeug zu entreißen.