Was passieren kann, wenn du mit deiner Familie und 2 Koffern in den Urlaub fliegst und dort 14 Tage lang auf engstem Raum, ohne viel Zeug, Zeit verbringst und währenddessen 1,4 Millionen Mitbürger wegen eines Klimastreiks auf die Straßen gehen.
Meine braungebrannten, aber eisig kalten Finger umschlingen die warme Kaffeetasse, in der Hoffnung, dass die heiße Flüssigkeit nicht nur meinen Magen, sondern auch meine Füße wärmt, nehme ich einen tiefen Schluck.
Der Herbst ist da. Und das nicht nur auf dem Kalenderblatt. Ich schaue auf die gelbgefärbten Blätter, die mir der Baum vor unserem Wohnzimmerfenster ins Sichtfeld hängt. Sie bringen etwas Farbe in den grauen Himmel, der sich als Hintergrund zeigt.
Ungemütliches Herbstwetter. Und vor drei Tagen lagen wir noch bei 27Grad in der Sonne Südfrankreichs und genossen das wohl temperierte Wasser des Swimmingpools unseres Campingplatzes. Ich hänge den Erinnerungen an unserem ersten gemeinsamen Urlaub zu viert noch etwas nach und merke, dass mir der Urlaub nicht nur Entspannung gebracht hat. Außer dreckiger Wäsche habe ich noch ein nachdenkliches Ich im Gepäck mit nach Hause gebracht.
Perspektivwechsel auf über 38000 Fuß über der Erde
Aufgefallen war es mir bereits auf dem Rückflug. Unser Flieger hatte Verspätung und der Mann schaute auf dem Handy nach unserem Flieger. Der öffnete eine digitale Karte und konnte den Flugverkehr direkt über uns, in einem Radius von ein paar Kilometern, beobachten. Ich sah die Masse an Flugzeugen, die gerade über unseren Köpfen ihre Route entlang flogen und mir wurde schlecht. Ich dachte an all das Kerosin, das CO2 das hier gerade in die Atmosphäre verstreut wurde. Und das nur jetzt in diesem einen Moment. Ein Moment von so vielen an diesem Tag, in dieser Woche, in diesem Monat, in diesem Jahr.
Die Betroffenheit wurde durch meinen Anflug von Panik verdrängt, den ich verspüre, sobald ich mich auf direktem Weg zum Flugzeug begebe.
Nachdem die Flugangst etwas weniger wurde (der Start ist das Schlimmste für mich) und ich mich auf die ruhige Umgebung der fluffigen, weißen Wolken einlassen konnte, ließ ich meinen Blick durchs Fenster gleiten. Es war so friedvoll und hatte so etwas unberührtes. Von der Zerstörung, von der ich eben in diesem Moment ebenfalls ein Teil war, war nichts zu sehen.
Natürlich war mir das auch schon vor unserer Flugbuchung klar. Und eigentlich wollten wir die kurze Strecke auch nicht fliegen. Wir sind jedoch das letzte Mal vor 8 Jahren geflogen, sodass es für uns, nach dem Stress der letzten Monate wichtiger war, schnell und ohne Umstände am Urlaubsziel zu sein.

Als sich der Wolkenhimmel lichtete, hatte ich eine klare und weite Sicht auf das, was da unter uns lag. Felder, Wiesen, Wälder und Gewässer bildeten ein Netz aus geometrischen Formen. Wie mit einem Stielkamm gezogen, sahen die Scheitel der Landwirtschaft unter mir aus. Grüne und bestellte Felder neben braunen, bereits geernteten Feldern und dann ein absolut gerader Cut zum angrenzenden Wald. Wald – ich ließ meinen Blick schweifen und bemerkte mit einem Mal wie viel Fläche da unter uns für die Landwirtschaft in Beschlag genommen wurde. Und wie wenig Wälder da unten grün und buschig angedeutet waren. Jeder der mich kennt, weiß, dass ich über kein gutes Augenmaß von Mengen verfüge, aber wenn ich sage, dass das Verhältnis 10:1 war, gibt es das glaube ich ganz gut wieder.
So wenig Wald da unten und so viel Kerosin hier oben,
grübelte ich traurig.
Wer verbraucht DAS ALLES, was da auf den Feldern angebaut wird? dachte ich.
Spontan kamen mir Bilder von tonnenweise weggeworfenen Lebensmitteln in den Sinn, die ich schon so oft in den Nachrichten gesehen hatte. Ich dachte wieder an unsere Lebensmittel im Urlaub, die wir kurz vor dem Abflug versucht hatten aufzubrauchen, uns jedoch am Vorabend geschlagen geben mussten und somit vor Ort zurück gelassen haben. In der Hoffnung, die nächste Familie könne davon etwas gebrauchen.

Vermutlich müssen die Bauern auch so viel anbauen, weil der Ertrag einfach auch so wenig ist, den die Ernte finanziell einbringt, überlegte ich.
Ich sah mich preisvergleichend vor den Regalen der Supermärkte stehen. Wir kaufen Bio, schon seit knapp einem Jahr, ziemlich strikt, aber nicht kompromisslos. Fleisch immer, und Obst, wenn verfügbar, auch. Preise vergleiche ich trotzdem und so manches Mal siegt der Geiz dann einfach doch über meine Moral.
Wahrscheinlich sind das gar nicht alles Felder, die unsere Nahrungsmittel ergeben, sondern auch Futter für die Tierhaltung, schoss es mir in den Kopf.
Massentierhaltung. Ich dachte an unseren Grillend vor ein paar Tagen und daran, wie der Mann sich sorgfältig einen ziemlich instagramtauglichen Gemüse-Melone-Feta Spieß zubereitet hatte, während ich mir einredete, dass zum BBQ eben Fleisch gehöre und ich mich zwei Stunden später schlecht fühlte, weil die Kinder die Wurst nicht aufgegessen und ich mein letztes Stück Fleisch auch nicht mehr runter bekam.
Verschwendung. Überall in unserem Leben, mehrmals am Tag. Ohne dass wir noch wirklich Notiz davon nehmen. Weil immer alles, zu jeder Zeit verfügbar ist.
Und dann schaute ich wieder auf die kleinen Flächen Wald da unten und ich fragte mich, in was für einer Welt ich da eigentlich lebe. Von der ich natürlich ebenfalls ein Teil bin. Ich fühlte mich schlecht und fühle mich immer noch so.
Ein paar Stunden später, wir waren gerade eben erst Zuhause angekommen, war ich gerade dabei die erste Ladung Wäsche in die Maschine zu stopfen.
Wo ist das Wäschenetz? Ich schaute in die Ecke in der ich es sonst immer aufbewahre. Nichts. Ich ging zum Schubladenschrank, öffnete die Lade. Nichts. Ich suchte und suchte und gab irgendwann auf.
Wer mich kennt, weiß, das ist nichts Neues! Bin ich gestresst, werde ich unachtsam. Dann liegt das Handy im Kleiderschrank, der Schlüssel hinter den Sofakissen und die Fernbedienung auch schon mal im Kühlschrank (JA, ein einziges Mal. Glaubt dem Mann nicht, wenn er euch irgendwann mal weissmachen will, dass es eine regelmäßige Marotte ist. Es ist nur einmal vorgekommen ;))
14 Tage Minimalismus im TinyHouse
Wo ist eigentlich der Zettel mit der Notiz für Montag? Wo ist der blaue Kugelschreiber? Wo verdammt nochmal ist dieses Wäschenetz? Seit drei Tagen laufe ich hier suchend durch die Wohnung und befinde mich wieder absolut im Alltag.
Im Urlaub war das alles noch sehr viel leichter. Ich brauchte abends keine 10 Minuten um aufzuräumen. Jedes Teil aus unseren zwei Koffern hatte seinen Platz. Klar, das MiniMädchen hat es trotzdem geschafft Herrscherin über das Chaos zu werden und hat die 32qm im Nullkommanix in ein kleines Schlachtfeld verwandelt. Aber der Inhalt aus zwei Reisekoffern lässt sich eben ziemlich schnell wieder aufräumen. Ganz im Gegensatz dazu unser Krempel aus der Wohnung, der sich auf 100qm plus Keller und Schuppen verteilt und letztes Jahr nicht ganz in den 3,5t LKW gepasst hatte.
Wir müssen entrümpeln, hatten wir schon vor dem Umzug gesagt. Und wir hatten damals wirklich schon sehr viel entrümpelt. Als dann aber nicht alles in den LKW passte kam mir in den Sinn, dass es doch nicht genug war.
Und wenn ich mich hier umschaue, dann merke ich, dass es immer noch so ist. Oder vielleicht schon wieder schlimmer? Hier herrscht das Chaos. Und das hat das MiniMädchen ausnahmsweise nicht zu verantworten. Das sind wir schuld. So oft in den letzten Monaten schoss es mir durch den Kopf: Wir haben einfach zu wenig Platz!
Nach dem Urlaub auf 32qm und mit 40 Kilo Gepäck sage ich jetzt: Wir haben einfach zu viel Zeug.
Klar das Prinzip des Entrümpelns, Marie Kondo und all die Decluttering und Minimalismus Beiträge die im Netz kursieren sind jetzt wirklich nicht neu. Und ich habe seit 2016, als der Trend langsam los ging, bereits meinen Kleiderschrank entrümpelt (und der gibt wirklich nicht mehr viel her, leider auch nicht viel Freude, denn ich habe mir in den letzten Jahren kaum etwas geleistet), wir haben Papiere entsorgt, Bücherregale entrümpelt, Spielzeug aussortiert uvm.
Was aber neu ist, ist das Gefühl der letzten Wochen im Urlaub: Wir hatten nur das Nötigste und haben trotzdem nichts vermisst. Gut, die Kinder hätten gern Buntstifte dabei gehabt (die hatte ich Zuhause liegen lassen) und ich habe einen Notizblock vermisst (ich bin einfach Papiermensch – es muss aus dem Kopf auf das Papier, anders geht es leider nicht).

Wir haben endlich mal wieder gelesen, anstatt zu netflixen (gut, die Kids haben ab und an mal auf dem iPad etwas angeschaut), wir kamen mit ebenso viel sauberer Wäsche als dreckiger Wäsche zurück (okay, das MiniMädchen wäre ohne Waschmaschine vermutlich nur noch einen Tag ausgekommen, aber das zeigt dass wir anderen noch viel zu viel Kleidung dabei hatten), abends haben wir Spiele gespielt, anstatt dass die Kids in ihrem Spielzeughaufen sitzen und wir Eltern vor dem Notebook sitzen (wir hatten auch frei und mussten nicht arbeiten, saßen so aber auch nicht noch hier und da in den sozialen Netzwerken bzw. vor YouTube).
Was ich sagen will: es war eng, aber kuschelig. Wir hatten wenig, aber alles hatte seinen Platz und war schnell aufgeräumt. Wir hatten uns und waren zufrieden.
Was heißt das jetzt für uns?
Im Hinblick auf mein Erlebnis mit all der Verschwendung, dem vielen Kerosin und der kleinen Waldfläche und dem Wissen, dass wir trotz Entrümpelung immer noch Sachen im Haushalt besitzen, die einfach keinen Platz haben PLUS der Gewissheit, dass wir auch mit wenig total zufrieden sein können, sagt mir das, dass ich keine Angst haben brauche, wenn ich hier nun reduzierter Leben möchte.
Ich weiß noch nicht so ganz, wo das hinführen wird. Ob wir nun in 2 Jahren in einem TinyHouse als Familie auf 40qm wohnen werden, oder ich einfach aufhöre mir weiter einzubilden, dass ich mehr Stauraum und mehr Platz benötige – kann ich jetzt noch nicht so wirklich sagen. Fakt ist, es muss sich etwas ändern und es darf sich etwas ändern.

Im Punkto Nachhaltigkeit und achtsames Leben machen wir sicherlich schon Vieles richtig. Platz nach oben ist immer, aber da bin ich sehr milde mit mir und sage mir, jeden Tag ein bisschen mehr und genau so viel, wie es sich heute richtig anfühlt.
Wenn es aber um Verschwendung und Leben im Überfluss geht, dann möchte ich wirklich etwas ändern.
Wie sieht es bei dir und deiner Familie zum Thema Minimalismus, Verschwendung und Nachhaltigkeit im Allgemeinen aus? Ist das Thema bei euch? Wie denkst du darüber? Hast du Tipps für Bücher, Blogs, Filme zum Thema? Hättest du vielleicht Lust, dass wir das hier gemeinsam angehen, in Form einer Challenge (wobei es eher um den Austausch und nicht um den Wettbewerb dabei geht).
Oder hast du dieses Thema vielleicht auch bereits satt und möchtest diesen „Hype“ gar nicht mit machen? Könntest du dir vorstellen in einem TinyHouse zu leben?
Ich würde mich wirklich total freuen, wenn wir uns darüber austauschen würden.

3 comments
Liebe Sarah, ich bin ganz gerührt von dem was du schreibst, denn auch ich habe gerade einen Umzug hinter mir und denke immer wieder „brauchen wir das jetzt wirklich“? denn je mehr rumliegt, umso weniger schön empfinde ich es und umso mehr nervt mich, dass ich es wegräumen muss. ich fände eine Challenge toll und wäre sofort dabei, aber wirklich auch eher wegen des Austausches und der Ideen. mit 2 kleinen Kindern finde ich es oft noch schwer so minimalistisch zu sein, alleine wäre das einfacher, aber mit Kindern….aber ich denke immer, jeder noch so kleine schritt zählt. weitergeben statt wegwerfen, Verpackungen reduzieren wo es nur geht, bio wenn möglich und sinnvoll , weniger auto und weniger fliegen. aber eben alles familientauglich.
Wow, was für ein ehrlicher Blogartikel. Ich habe auch die Erkenntnis erlangt, dass wir viel zu viele Sachen besitzen, weiß nur noch nicht so recht wie ich das anpacke. Ich bin durch Sassi von liniert.kariert auf dein Entrümpelungsaktion aufmerksam geworden und nehme mir dich zum Vorbild und als Motivationshilfe. Danke fürs Teilen deiner Gedanken
Hallo liebe Nicole, ich freue mich dass wir uns kennenlernen und freue mich immer über Austausch 🙂 Liebe Grüße, Sarah